erik
 
     
  Werkkommentar  
 

Ich suche das nachtgesicht (2004),

für Stimme und Klavier entstand als Auftrag für das Duo-Programm “Klänge der Nacht” des Duos Edith Murasov (Mezzosporan) und Jan Gerdes (Klavier). Der Text wurde von einer befreundeten, in Wien lebenden Autorin Brigit Schwaner eigens für dieses Konzertprojekt geschrieben und erlebt heute auch seine Uraufführung. Er lautet wie folgt, rechts die metrische Skizze, die ich mir dazu erstellte ( x = Kürze, - = Länge/Betonung):

Text Metrik Betonungen
ich suche das nachtgesicht x - x x - x - 3
tag um tag über jedem wort - x - x x - x - 4
rudere ich dem mond entgegen - x x -x - x - x 4
dem stillen mond x - x - 2
er ist wie ein mensch im himmel ertrunken x - x x - x - x x - x 4
ich schwinge mich in die nacht der wörter x - x x - x - x - x 4
mein boot ist ein papageienflügel x - x x - x - x - x 4
die ruder: fingerknöchel x - x - x - x 3
eines großen irrenden gottes x x - x - x x - x 3
und rudere, rudere zum mond hin x - x x - x x x - x 3
der schweigt x - 1

Beim Komponieren empfand ich, dass dieser mit Worten nach Mond suchende Text, mit seinen starken, poetischen Bildern, nicht im Sinne eines Heraustrennens einzelner Wörter aus dem Zusammenhang zerlegt werden konnte. Ich entschied mich, die Text-Chronologie unangetastet zu lassen. Den Text wollte ich nicht wie ein der Syntax und Semantik vermeintlich beraubtes “Material” behandeln, das in Kompositionsprozess und Werk der musikalischen Konzeption untergeordnet wäre. Umgekehrt nahm ich die Semantik des Textes, seinen Sprachduktus, -rhythmus und seine Metrik als zentrale Inspiration für das zu findende musikalische Material und die Form. Der Beginn des Stückes wurde so ein Suchen nach Worten, Nacht und Mond. Der Text erscheint in originaler Reihenfolge, aber im Verborgenen, in einem rhythmisch zwischen Stimme und Klavier ineinander verzahnten Textur von durch Vokalfarben inspirierten Tonhöhen, Intervallen und Nuancen der Stimme. Die “wortreiche” Stimme ringt dennoch nach Sprache in der Nacht; sie “rudert”, scheint den Mond zu treffen und dann ...? Nach der Anzahl der Betonungen pro Vers richtete ich die zeitliche Organisation (Taktarten und Takt-Anzahlen für die Gesang- und Klavier-Phrasen sowie für die rhythmische Unterteilungen im Klavier, die aber fließend sind, auch aufgelockert werden). Sprachkomposition sehe ich also (nicht nur hier) als subjektive Textauslegung mit all seinem Ausdrucks-Potentialen an, die ich in Form und Gehalt der Musik zu übertragen versuche. Weiterer Sprachkommentar würde hier kaum weiter zum Kern vordringen und nur unnötig den Hörer in seiner Freiheit und Phantasie einschränken. (Erik Janson, 10.10.2004)

 
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