erik
 
     
   

Duo al suono espressivo(1997),

für Klarinette in B (auch Es- und Bassklarinette) und Akkordeon

 

 
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Duo al suono espressivo - ein Duo, das dem "ausdrucksvollen Klang" gewidmet ist. Dabei geht es jedoch nicht darum, dass Klangereignisse etwas "bsetimmtes" bedeuten sollen - was sie nicht können, denn sonst schnürte man die Freiheit des Hörers/Interpreten ein, die jeweils ihren Ausdruck des Stückes hier und jetzt in Klang setzten. Es ist auch nicht an eine Art "Ausdrucksmusik" gedacht in dem Sinne, dass bestimmte Gemütszustände des Komponisten gezielt in Musik "übersetzt" werden sollten. Vielmehr ist jede geformte oder strukturierte Gestalt selbst Ausdruck und Jetzt-Ereignis.

Die wesentliche Idee bei diesem Stück ist, dass sich bestimmte Gesten extremer Klänge (z.B. extrem hohe oder tiefe Lagen, extreme Bewegungen, wie sehr schnell oder gedehnt) wiederholen, bzw. ausgetauscht oder varriiert werden. Die Gesten sind an bestimmte, ähnlich wiederkehrende aber auch gespiegelte Intervallfolgen und Bewegungsrichtungen gekoppelt. Die zeitliche und die Intervall-Organisation folgt aber nicht präkomponierten Schemata oder Gestaltungsprinzipien (z.B. magische Quadrate oder serielle Techniken etc.). Der Wechsel zwischen Annäherung der Instrumentalklänge (bis hin zur Schwebung oder Klangverschmelzung zwischen Akkordeon und Klarinette) und starkem Kontrast (z.B. von Tempo, Dynamik, Tonhöhe oder Klangfarbe) ist ein weiterer wichtiger Aspekt des ersten Satzes. Der Bauplan ist orientiert an Rudimenten des Sonatensatzes, freilich abweichend von der traditionellen Form.

Die direkt vorgestellten Hauptmotive (1. = schnelle Geste / 2. langsame, quasi "lyrische" Geste in der Klarinette) - werden ständig durchgeführt. Dies geschieht durch das Verteilen der Gesten auf die jeweils andere Lagen, Klangfarbe (bzw. Instrument), durch Austauschen von Partikeln. Das Ganze verdichtet sich zu sprunghaft einander zugeworfenden Partikeln, die in größere Intervallsprünge, also räumlich-akustischen gedehnt werden. Es "zieht sich" dann immer wieder zu statisch-schrillen Klängen "zusammen", es "rumort", es "nagt", es arbeitet, es pulsiert, es ...

Im extrem langsamen zweiten Satz werden ähnlich wiederholte Akkordfolgen (im Akkordeon) und eine Melodie aus immer minimal zeitlich gedehnten oder variierten Tönen der Klarinette nach Art einer variierenden “Passacaglia” miteinander kombiniert. Diesen Satz könnte man auch “Variationen über minimal gestaltete Langsamkeit" nennen. Das "Espressivo" äußert sich dabei z.B. im An- und Abschwellen der Lautstärke, dies jedoch quasi gegen die Schwerpunkte in den jeweiligen Takten gekämmt, (- eine kleine "Hommage an Beethoven" und seine Crescendi zur 3. und 4. Zählzeit hin in seinem Mittel- und Spätwerk). Die dynamischen und klangfarblichen Veränderungen führen in der Wahrnehmung teilweise bis zur Entstellung ähnlich wiederholter, jedoch durch die Langsamkeit nur noch als vage Erinnerung erkennbarer Ton- und Akkordfolgen.

Auf der Ebene der Verbalnotation versuchte ich, für die Spieler bei der Interpretation bzgl. des Ausdrucks Kontraste zu schaffen bzw. die gefühlsmäßige Phantasie der Interpreten anzuregen. Dies geschieht dadurch, dass im zweiten Teil der Akkordeonist seine Akkorde "so ausdruckslos wie möglich", gleichzeitig der Klarinettist seine Melodie darüber "so monoton wie möglich" spielen soll.

Dabei ist es jedoch - betrachtet man das extrem langsame Tempo - gewissermaßen "utopisch", dem Hörer z.B. eine zusammenhängende extrem in "Zeitlupe" gedehnte Phrase als "extrem ausdrucksvoll" oder auch "extrem monoton" - aber dennoch zusammenhängend und bruchlos gespielt! - akustisch erkennbar zu machen. Aber ist es nicht ähnlich utopisch, genau zu definieren, was "der Ausdruck" ist? Umsetzung von Noten, von Ausdruck in Musik, in Sprache - gelebte Formen der Utopie.

 
 

 

 

 
     
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